Volksstimme vom 19.09.2023
Ferkeltaxi, Dampfloks und Katastrophenzug - Wittenberge als Eisenbahn-Mekka
von Alexander RekowIhr Fuhrpark ist nicht weniger als erfahrbare Geschichte. Nun laden die Dampflokfreunde zum „Herbstdampf“. Der in Salzwedel gegründete Verein ist ein Publikumsmagnet für alte Eisenbahntechnik.
Wittenberge/Salzwedel Wenn sie kommt, wird sie mit staunenden Blicken geehrt. Ihre Kurven, ihr Anmut, ihr heißer Atem ist vielen Altmärkern noch bestens bekannt. „Schwarze Lady“ wird sie daher ehrfürchtig gerufen. Gemeint ist die 1939 von der Lokfabrik Krauss-Maffei gebaute Dampflok der Baureihe 50 3682-7.
Ihr Gedächtnis hat die „Schwarze Lady“ in den Kriegsjahren verloren, ihr Betriebsbuch ist verschwunden. Doch für die Altmärker hat das nie eine Rolle gespielt. Über viele Jahre schnaufte die eisenharte Dame über das Bahnbetriebsgelände in Salzwedel, transportierte Generationen auf ihrem Führerstand und machte aus Büromitarbeitern Eisenbahnfreunde mit schmutzigen Händen. Noch heute locken die Dampflokfreunde vom Kleinkind bis zum Senior die Massen an.
Nur eben nicht mehr in die westaltmärkische Kreisstadt, sondern seit 2012 in den Lokschuppen von Wittenberge – dem Exilstandort des Vereins. Denn die finanzielle Unterstützung, die der Verein von Salzwedel für den Betrieb des denkmalgeschützten Areals gebraucht hätten, blieb seinerzeit aus. Die Jeetzestadt um ihre damalige Oberbürgermeisterin Sabine Danicke hatte den Verzicht auf Unterstützung mit Sparzwängen begründet.
Anders in Wittenberge, wo der Salzwedeler Verein mit seinen Eisenrössern mit offenen Armen empfangen wurde. Und so zog die „Schwarze Lady“ mit ihren Geschwistern aus Stahl um. DDR-Katastrophenzug, Dampf- und Dieselloks verschiedener Baureihen, Elektroloks und Beiwagen: heute alles am Exilstandort zu sehen.
Am Wochenende vom 7. bis 8. Oktober haben die Westaltmärker die Gelegenheit, ihre stählernen Ungetüme wieder im Einsatz zu sehen. Die Dampflokfreunde laden zum traditionellen „Herbstdampf“.
„Wir haben einige Highlights“, kündigt Vereinsvorsitzende Doris Müller an. Sie ist eine von 84 Mitgliedern. „Davon sind noch 16 Urgesteine“ sagt sie. Also jene, die noch im und am Salzwedeler Lokschuppen wirkten. Unter den 16 sind auch drei Gründungsmitglieder von 1994. „Wir freuen uns über jede Hand und Spende, die unsere ehrenamtliche Tätigkeit für den Erhalt der Eisenbahntechnik unterstützt.“
Am 7. und 8. Oktober gibt es genug Möglichkeiten dafür. Beispielsweise bei den Sonderfahrten. So fährt am 7. Oktober ein Triebwagen (BR 628) von Neumünster nach Wittenberge. Einen Tag später ein Ferkeltaxi (VT 172 001) von Neustrelitz zum Veranstaltungsgelände und wieder zurück. Karten dafür gibt es auf der Vereinshomepage.
Neben den Sonderfahrten können Kinder den Dampfloks wieder in ihren Feuerschlund schauen, mit Draisinen über das Gelände düsen oder den Fahrzeugparaden zujubeln.
„Wer am 7. Oktober mit einem DDR-Fahrzeug anreist, kann direkt auf dem Gelände parken und braucht keinen Eintritt zu zahlen“, so Doris Müller. Denn neben den Loks sollen Verbrenner aus dem Arbeiter- und Bauernstaat die Ausstellung unter dem Motto „Ein Stück DDR-Geschichte“ bereichern.
Ein besonderer Höhepunkt dürfte der Auftritt eines stählernen Ehrengastes werden. So wird eine vergleichsweise kleine Gastlok (86 1333-3) erwartet. Und wer diese oder andere Loks ohne Menschen fotografieren möchte, bekommt dazu eine Gelegenheit, wie die Vereinsvorsitzende im Gespräch mit der Volksstimme erklärt. Denn am 7. Oktober wird ab 17 Uhr, wenn der Trubel vorbei ist, eine gesonderte Fotostunde angeboten. Dann gibt sich auch die „Schwarze Lady“ wieder die Ehre.
Dennis Kathke ist 2. Vorsitzender der Eisenbahnfreunde und nimmt Besucher im Führerstand einer Dampflok mit. Foto: Alexander Rekow |
Die Loks des Vereins Dampflokfreunde Salzwedel im historischen Lokschuppen von Wittenberge. Foto: Alexander Rekow |
Salzwedel, Arendsee, Klötze, Oebisfelde: Im historischen Lokschuppen von Wittenberge wird die altmärkische Herkunft des Vereins deutlich. Foto: Alexander Rekow |
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